Gemeinsam für Solidarität. Heute, morgen und zu aller Zeit. (Redebeitrag zum 1. Mai)

Liebe Kommiliton*innen, liebe Kolleg*innen, liebe Genoss*innen und Genossen,

vor drei Wochen hat der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein Gesetz erlassen, das vorsieht, systemrelevante Beschäftigte nun bis zu zwölf Stunden täglich arbeiten zu lassen. Das ist eine absolute Zumutung in Zeiten der Corona-Pandemie, wo bestimmte Berufsgruppen sowieso schon bis zum Anschlag arbeiten müssen. Zu sagen: ‘Ihr müsst noch länger arbeiten und an Ruhephasen sparen’ – das ist eine zynische und zugleich gefährliche Maßnahme. Diese Entscheidung versucht in erster Linie, Missstände zu kaschieren, die durch jahrzehntelange Politik der Profite, Personalkürzungen und Arbeitszeitverdichtung herbeigerufen wurden.

Der 8h Tag ist eine elementare Errungenschaft der historischen Arbeiter*innenbewegung und nun meint ein Minister der SPD, diese von heute auf morgen einfach absägen zu können? Wir sagen daher: Weg mit dieser Regelung! 12h-Schichten kosten Menschenleben! Denn es gibt einen Zusammenhang zwischen der Länge von Arbeitsschichten und der Überlebenswahrscheinlichkeit von Patient*innen und der Ansteckungswahrscheinlichkeit von Krankenhaus-Mitarbeiter*innen. Stattdessen muss nun die Frage des Gesundheitsschutzes aller Beschäftigten an erster Stelle stehen und nicht die noch intensivere Belastung von Beschäftigten, die sowieso schon unter Hochdruck arbeiten müssen!

Vereinzelung vs. Protest

Die Wut auf Spaziergänger*innen und Freundesgruppen, die sich immer noch draußen aufhalten, ist groß. Wir finden Wut wichtig, doch sind wir doch lieber wütend auf diejenigen, die unser öffentliches Gesundheitssystem seit Jahrzehnten demontiert haben. Die, die zuerst Schulen, KiTas, Unis, Kultur- und Musikveranstaltungen schließen lassen, während Fabriken, Logistik-Zentren und Call-Center munter weiterlaufen dürfen. Steckt man sich etwa nur privat an?

Das führt dazu, dass wir uns gegenseitig demontieren und disziplinieren – die Schuld und Verantwortung der Krise bei den Menschen suchen, denen wir doch eigentlich am nächsten stehen sollten. Es führt dazu, dass wir den Blick fürs große Ganze verlieren, verlernen die Mechanismen einzuordnen, die diese Krise ermöglichen und uns die Ausmaße so ungleich erleben lassen. Und es führt dazu, dass wir verlernen ernsthaft solidarisch zu sein, uns der Probleme anderer Menschen anzunehmen und uns gemeinsam für eine Abschaffung der Verhältnisse, die der Kapitalismus verursacht, zu organisieren. Gerade jetzt müssen wir kollektive Momente schaffen, um der individuellen Isolation entgegenzuwirken. Daher sind Aktionen richtig und wichtig!

Blick zurück

Die Welt steuert momentan sehenden Auges auf eine Wirtschaftskrise zu, die vielleicht alles übertreffen wird, was die Menschheit je erlebt hat. Was dies konkret bedeutet, wie sich unser Leben und die Welt in den kommenden Monaten und Jahren gestalten wird, können wir jetzt noch kaum absehen. Ein Blick auf die Krisenerfahrung von 2008 und den Jahren danach – also die Bankenrettung, die europäische Austeritätspolitik, die massenhafte Prekarisierung der Jugenden in Südeuropa oder die Etablierung des größten Niedriglohnsektors Europas hierzulande – vermitteln uns jedoch eine Ahnung davon, wie tiefgreifend die sozialen Verwerfungen sich die nächsten Jahre in die Leben von Millionen von Menschen einschreiben könnten.

Die Ausgangsbedingungen für eine gesellschaftliche Linke, die für eine gerechtere Welt streitet, hat sich wahrlich nicht verbessert. Doch wir wissen auch, dass soziale Verwerfungen nach 2008 und der Klassenkampf der Merkels, Schäubles etc. von oben von massiven Kämpfen und Bewegungen von unten begleitet wurden, die eine ganze Protestgeneration auf die Bühne der Geschichte haben treten lassen. Ob die Krise 2020 wieder von dem Großteil der Bevölkerung getragen wird oder nicht, wird eine Frage von konkreten Kämpfen bleiben, die in den nächsten Jahren unweigerlich anstehen werden. Kollektiver Widerstand und der Aufbau von Kämpfen mit Durchsetzungsperspektive müssen unsere Antwort sein auf die Krise 2020. Was das bedeutet, wollen wir kurz und knapp an ein paar Beispielen erläutern.

Wer zahlt die Krise?

a) Systemrelevante Berufe

Durch Corona hat sich der Fokus der Gesellschaft verschoben, weg von den Anzugträgern und DAX-Spezialist*innen nach der Tagesschau, hin zu den Menschen die unser System tatsächlich tragen, dafür aber viel zu schlecht bezahlt werden. Neben gesellschaftlicher Aufwertung braucht es reale Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und mehr Gehalt!

Daher schließen wir uns den Forderungen von ver.di an die Arbeitgeber im Handel an: Es braucht einen Tarifvertrag jetzt zum Kurzarbeitergeld, der für alle Handelsbranchen allgemein verbindlich gilt. Ein ausreichender Gesundheitsschutz ist längst überfällig und es darf auf keinen Fall zur Ausweitung der Arbeitszeit kommen!

Es ist jetzt Aufgabe der Gewerkschaften, den Schutz von Leben und Gesundheit ihrer Mitglieder in der Pandemie gegen wirtschaftliche Profitinteressen zu verteidigen. Prämien während der Pandemie sind ein Anfang – aber da geht mehr und wir als Linke sind gefordert, die Anliegen der Beschäftigten zu unterstützen.

b) Haushalt und Care-Arbeit 

Auch die unsichtbare Sorgearbeit, die primär von Frauen geleistet wird, nimmt momentan zu. Die Kitas und Schulen haben geschlossen, sodass die Kinderbetreuung zu Hause stattfinden muss, während oft gleichzeitig der normale Arbeitsalltag oder Home-Office zu meistern ist. Daher fordern wir staatliche Konzepte für die Kinderbetreuung, v.a. für alleinerziehende Mütter und Väter! 

Und wo wir schon bei Haushaltsfragen sind: 

Während Vonovia und Co. weiter fröhlich Dividenden erhöhen und ausschütten, weigern sich Immobilienkonzerne vehement, die Mietschulden ihrer Mieter*innen zu stunden. In der letzten Finanzkrise profitierten vor allem die großen Immobilienkonzerne von der Krise, indem sie danach ordentlich Wohnungen aufkaufen – das wollen und dürfen wir dieses Mal nicht zulassen. Wir finden: Enteignung und Vergesellschaftung von Wohnungen und Häusern, darf kein Tabu mehr sein!

c) Refugees 

Doch unsere Solidarität darf nicht an den deutschen oder den EU-Außengrenzen enden. Die Bedingungen in den griechischen Geflüchteten-Lagern waren schon vor Ausbruch der Pandemie unerträglich. Bei einem Ausbruch von Covid19 wird es dort zu einer humanitären Katastrophe kommen. Und auch die Seenotrettung im Mittelmeer wird von den EU-Staaten aktiv unterbunden. Dabei hat Europa genügend Platz, um all diesen  Menschen ein sicheres zu Hause zu bieten! 

Jetzt heißt es: Konsequent handeln und eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten umsetzen, denn das Recht auf Gesundheitsschutz muss für alle gelten!

d) Klima

In der Krise werden Unternehmen wie VW, Lufthansa und Co. mit Milliarden vom Staat gerettet. So werden Verluste ohne demokratische Einflussnahme vergesellschaftet. Oder haben wir beschlossen, VW und Co. zu retten? General Motors produziert in der Krise Beatmungsgeräte und Volkswagen Atemschutzmasken. Das ist ein kleiner Schritt in Richtung eines bedürfnisorientierten Wirtschaftens. Dann lasst und doch noch ein paar Schritte dazu machen und weiter in den öffentlichen Nahverkehr und erneuerbare Energien investieren! Lasst uns mitbestimmen, welche Produkte und Dienstleistungen wir wirklich brauchen, was und wie wir produzieren wollen! Lasst uns die Krise von denen bezahlen lassen, die durch schlechte Arbeitsbedingungen, Umweltzerstörung und Globalisierung der Wirtschaft mitverantwortlich für viele der Krisen sind! 

e) Studierende

Und wir wollen nicht vergessen: Neben vielen anderen, finden auch wir Studis uns in einer prekären Lage wieder. Wir verlieren Minijobs oder haben schlichtweg nicht mehr genug Zeit, weil wir jüngere Geschwister betreuen müssen. Wer kein BaFöG bekommt, steckt jetzt ohne zusätzliches Einkommen in der Klemme. Und wer es bekommt. muss um die Regelstudienzeit fürchten. 

Die Uni Dresden zeigt wie es gehen kann und legt mit der Aussetzung der Regelstudienzeit vor. Wir sagen: Die Uni Leipzig muss nachziehen!

Krise ist in diesem System immer. Deswegen warten wir nicht bis auf das schreckliche Ende dieser Pandemie. Wir warten nicht darauf, dass noch mehr Menschen durch fehlende Versorgung, schlechte Arbeitsbedingungen und eine autoritäre Antwort der Herrschenden unter der Krise leiden müssen. Wir kämpfen heute gegen voranschreitende Privatisierung, gegen die Eindämmung des sozialen Miteinanders, gegen zunehmendes Konkurrenzdenken in allen öffentlichen Bereichen.

Dafür kämpfen wir heute. Dafür kämpfen wir morgen, übermorgen und zu aller Zeit!